Lisa driftet

Lisa Faßbender ist eine außergewöhnliche Driftsportlerin, die trotz dreier Gendefekte und Rollstuhl erfolgreich im Motorsport aktiv ist. Sie nutzt ein speziell umgerüstetes Fahrzeug mit Handsteuerung und zeigt, wie Inklusion im Motorsport praktisch gelebt werden kann.

Lisa Faßbender (34) auf Rädern neben ihrem Auto – „Es ist ein phantastisches Gefühl, alleine entscheiden zu können, was das Auto tun soll.“

von Werner Pohl

Lisa Faßbender ist eine Ausnahme. Und das in jeder Hinsicht. Die Vierundreißigjährige hat sich einem eher ungewöhnlichen Sport verschrieben und - damit nicht genug - sie praktiziert ihn unter ungewöhnlichen Bedingungen. Drei Gendefekte (Lisa sagt: weltweit einzigartig) beeinträchtigen ihre Muskulatur und machen für sie die Nutzung eines Rollstuhls erforderlich. Das hindert sie aber nicht daran, erfolgreich in der Driftsportszene unterwegs zu sein.

 

Driftsport? Google klärt auf: Bei diesem Motorsport kommt es darauf an, ein PS-starkes Fahrzeug mit Heckantrieb gezielt zum Übersteuern zu bringen und zu „driften“ – mit ausbrechendem Heck kontrollierte Fahrmanöver auszuführen. Das sieht spektakulär aus, lockt zahlreiche motorsportbegeisterte Zuschauer an und ist eine adrenalinträchtige Angelegenheit. Und mittendrin Lisa – mit großen Rollstuhlsymbolen auf den Flanken ihres BMW E46, der – logisch – mit einem Handsteuergerät versehen ist.

 

Motorsportbegeistert war Lisa schon von Kindesbeinen an. Als sie einmal eher zufällig in eine Driftsportveranstaltung geriet, war es um sie geschehen und sie wusste: Das wird mein Ding. Der Rest ist Geschichte. Sie erzählt, wie alles begann: „Ich selbst hatte zur Zeit meines Einstiegs in den Driftsport kein auf Handbetrieb umgerüstetes Alltagsfahrzeug. Meine Einschränkungen wurden zwar größer, aber wir wussten nicht, ob es mit Handbediengerät bei mir überhaupt funktionieren würde. Außerdem gab es keinerlei Erfahrungen bezüglich Muskelerkrankung und Driftsport. Wir ließen uns aber nicht entmutigen, sondern hielten das Projekt zu Beginn deshalb so günstig wie möglich. Eben weil wir nicht wussten, ob es klappen würde. Als wir sahen, dass es deutlich besser funktionierte als wir erwartet hatten, wurde das Auto immer weiter optimiert, bis die Möglichkeiten ausgeschöpft waren und es zu einem professionellen Drift Auto kam. Somit ist mein Motto ,Follow your Dreams' sehr passend, würde ich sagen.“

 

Im Interview bringt uns Lisa ihren Sport näher und erzählt, was es für sie bedeutet, sich am Steuer ihres Fahrzeugs gänzlich unbehindert zu fühlen.


Lisa Faßbender in Aktion – „Diesen Moment genieße ich enorm, denn da unterscheide ich mich nicht von den anderen Fahrern.”

Lisa Faßbender in Aktion – „Diesen Moment genieße ich enorm, denn da unterscheide ich mich nicht von den anderen Fahrern.”


Was hat Dich überhaupt auf die Idee gebracht, Dich diesem Sport zu verschreiben?

Ich war von klein auf motorsportbegeistert. Vollkommen war es um mich geschehen, als ich durch Zufall zu einer Driftveranstaltung kam. Diese Präzision und so die Kontrolle über einen PKW zu haben, reizte mich so sehr, dass ich es selber machen wollte.

 

Kannst Du in ein paar Sätzen beschreiben, worum es beim Driften geht?

Im Grunde geht es darum, einen instabilen Zustand des Fahrzeugs stabil zu halten. Wenn es Richtung Meisterschaften geht, kommen noch bewertbare Faktoren wie Präzision, Linie, Geschwindigkeit, Winkel und Style dazu.

 

Was macht für Dich den besonderen Reiz dieser Sportart aus?

Der besondere Reiz daran ist die Präzision, die man benötigt, sowie die Vielfältigkeit der verschiedenen Fahrzeuge. Nahezu jedes Driftauto ist unterschiedlich personalisiert.

 

Welche Eigenschaften sollte man mitbringen, um in diesem Sport erfolgreich zu sein?

Man sollte ein gutes Gefühl für das Auto und das, was es tut, umgangssprachlich „Popometer“ genannt, mitbringen, sowie einen gewissen Ehrgeiz haben, dran zu bleiben und mit dem Auto statt gegen das Auto arbeiten zu wollen.

 

Bleibt, wenn man diesen Sport mit Leidenschaft ausübt, noch viel Platz für weitere Aktivitäten im Terminkalender?

Wenn man möchte, bietet sich in Deutschland mehrmals im Monat die Möglichkeit, driften zu können, allerdings über das Land verstreut. Dazu kommen noch die internationalen Möglichkeiten. Dementsprechend ist die Sache schon ziemlich zeit- und kostenintensiv, so dass für ein zweites größeres Hobby eher wenig Platz bleiben würde, wenn man alle Driftveranstaltungen mitnehmen möchte.

 

Wenn man mit Chancen auf Erfolg mitfahren will – ist Driften dann ein teurer Sport?

Der Driftsport ist prinzipiell der günstigste Einstieg in den Motorsport. Möchte man allerdings höhere Klassen international fahren, so steigen das erforderliche Budget für die Aufrüstung des Drifters sowie die Reise- und Verbrauchskosten um einiges.

 

Motorsport geht immer mit Risiken einher. Würdest Du sagen, dass Driften eine gefährliche Sportart ist?

In Grunde ist jeder Sport mit Risiken verbunden. Man muss die Grenzen dieses Sports kennen, akzeptieren und sich langsam an diese herantasten können.

 

Es gibt vermutlich nicht viele Fahrerinnen/Fahrer im Teilnehmerfeld, die im Rollstuhl unterwegs sind. Wie gehen Deine Mitstreiter damit um?

Das stimmt. Zurzeit ist mir kein weiterer Rollstuhlfahrer im deutschen Driftsport bekannt. Einigen wird es erst im Laufe des Events bewusst, dass ich überhaupt im Rollstuhl sitze. Der Großteil der Mitstreiter, die es wissen, zollt mir zwar Respekt, aber behandelt mich einfach normal. Ein paar wenige haben wohl generell Probleme damit, gegen Frauen - und dann noch welche, die im Rollstuhl sitzen - zu verlieren. :-)

 

Braucht Dein Fahrzeug mit Rücksicht auf Dein Handicap besondere Modifikationen? Und wirken sich die auf Deine Wettkampfstärke aus?

Da es mir nicht möglich war, in einem modifizierten Fahrzeug testen zu können, haben wir das Auto nach und nach an meine Bedürfnisse angepasst. Weil ich wegen des Handbediengeräts nur eine Hand am Lenkrad haben kann, muss ich vor jeder Kurve überlegen, wo ich die Hand positioniere, damit der Radius zum Lenken ausreicht. Ich habe ein Drehdrück-Handbediengerät der Firma Veigel verbaut, da man zum Driften stellenweise Gas und Bremse gleichzeitig betätigen muss, umgangssprachlich "left foot brake" genannt. Somit kann ich mich der Geschwindigkeit des Gegners anpassen und korrigieren. Zudem habe ich am Bedienteil meines professionellen Drifters noch Knöpfe zum Hoch- und Runterschalten sowie zum Kuppeln. Alles nur mit zwei Händen bedienen zu können würde ich schon als Nachteil bezeichnen, aber wenn man mit Ehrgeiz bei der Sache ist, ist das von außen nicht wahrnehmbar.

 

Wenn Du im Wettkampf bist, bist Du für die Zuschauer nicht als Rollstuhlnutzerin wahrnehmbar. Genießt Du diese Form von Gleichberechtigung/Inklusion?

Es ist ein phantastisches Gefühl, alleine im Auto zu sitzen und alleine entscheiden zu können, was das Auto tun soll - in dem Fall quer gehen. Diesen Moment genieße ich enorm, denn ich unterscheide mich nicht von den anderen Fahrern.

Allerdings habe ich schon ein paar Situationen gehabt, wo mir wieder bewusst wurde, wie beschränkt stellenweise das Denken der Leute ist. Etwa in dem Moment, wo die Tür aufgerissen wird und ich beschimpft werde, wie unmöglich das sei, dass ich mich über Rollstuhlfahrer lustig mache. Beim ersten Mal als das vorkam, hat es einen Moment gedauert bis ich wusste, dass meine Rollstuhllogos auf dem Auto gemeint waren. Die sind von der FIA* vorgeschrieben, um als Rollstuhlfahrer an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen. Sie sind für die Streckenwarte eine Information, falls es zu einem Unfall kommt.

 

Neben der Rennstrecke holen einen ja die üblichen Probleme wieder ein. Du bist viel unterwegs. Welche Note vergibst Du den Wettkampfstätten und dem Umfeld in Sachen Barrierefreiheit?

Mich auf eine Note festzulegen ist sehr schwierig, da es von Veranstaltungsort zu Veranstaltungsort und von Veranstalter zu Veranstalter oft sehr unterschiedlich ist. Manchmal sind die Gegebenheiten nicht so barrierefrei, wie man es sich wünschen würde. Dennoch sind meist die Veranstalter bemüht, Lösungen zu finden. Stellenweise muss man allerdings selbst erfinderisch werden. Um einige Hindernisse bereits im Vorfeld aus dem Weg zu räumen, haben wir uns nach einigen Jahren für einen Rennsport-Auflieger entschieden. Um den LKW fahren zu dürfen, habe ich extra den LKW-Führerschein (C/CE) gemacht. Somit sind die Grundbedürfnisse schon mal erfüllt. Zusammengefasst gibt es im Großen und Ganzen bei Motorsportstätten genauso viel Handlungsbedarf wie im Alltag auch.

 

Wie sind Deine Pläne für die Zukunft? Gibt es eine Art Altersgrenze für diesen Sport oder muss man sich da kein Limit setzen? Und lassen sich Sport und Beruf gut unter einen Hut bringen?

Eine Altersgrenze gibt es nicht, solange man den Rennlizenz-DMSB-Gesundheitscheck besteht. Der älteste mir bekannte Teilnehmer ist 68 Jahre jung. Das zeigt: Die Altersgrenze besteht allein im Kopf. Probleme bezüglich Zeitmanagement hat man, denke ich, bei jedem zeitintensiveren Hobby. Ich versuche, dementsprechend vorzuarbeiten, aber manchmal muss ich die Arbeit mit zum Event nehmen und am Abend nacharbeiten.

 


 

*Fédération Internationale de l'Automobile , auf Deutsch "Internationale Automobil-Föderation". Die FIA ist der internationale Dachverband für den Automobilsport und für den Kraftverkehr.

 

Die dargestellten Erfahrungsberichte, Aussagen und Meinungen beziehen sich auf die abgebildete Person. Diese Aussagen sind repräsentativ für die Erfahrungen dieser Person, die genauen Ergebnisse und Erfahrungen sind jedoch für jede einzelne Person einzigartig und individuell.